03.04.2023
Update
zur Meldung vom 27.10.2022:
Nachdem bekanntlich die Staatsanwaltschaft Berlin, unter anderem auf die Strafanzeige des Schutzverbands hin, ein Ermittlungsverfahren mit Durchsuchungen wegen Abmahnbetrugs und Erpressung eingeleitet hatte, kommt es jetzt zu Ergebnissen im Rahmen zivilrechtlicher Verfahren betroffener Abgemahnter gegen die Versender der Abmahnungen.
So liegt inzwischen ein nicht rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Ludwigsburg (8 C 1361/22) vom 28.02.2023 vor, wonach die Abmahnungen des Martin Ismail als rechtsmissbräuchlich einzustufen sind!
Das Amtsgericht hat auf die negative Feststellungsklage eines Betroffenen hin Unterlassungs- und Schmerzensgeldansprüche des Martin Ismail verneint.
Die Abmahnungen hätten vorrangig dazu gedient, Einnahmen zu erzielen, nicht jedoch Rechtsverstöße abzustellen.
Die entsprechende Meldung der Rechtsanwälte Dornkamp, welche den Abgemahnten vertreten hatten, findet sich an dieser Stelle.
Ausgangsmeldung vom 27.10.2022:
Aktuell beobachtet der Schutzverband zwei große Abmahnwellen bei DSGVO-Verstößen wegen dynamischer Einbindung von Google Fonts auf Webseiten.
Bereits Mitte 2022 kam es zu ersten Forderungsschreiben durch Privatpersonen an Webseitenbetreiber. Hierbei wurden Schadensersatzansprüche geltend gemacht, weil bei Aufruf der Webseite automatisch eine Verbindung mit den Servern von Google in den USA hergestellt werde und auf diese Weise die IP-Adresse des Besuchers ohne dessen Zustimmung weitergeleitet werde. Hierdurch werde der Besucher in seinen Persönlichkeitsrechten verletzt, da theoretisch die Möglichkeit bestehe, die Identität des Besuchers anhand der gespeicherten IP-Adresse zu bestimmen.
In den Forderungsschreiben berief man sich auf eine Entscheidung des LG München I vom 20.1.20022 (3 O 17493/20), bei welcher das Gericht einem Betroffenen einen Unterlassungsanspruch aus BGB sowie einen Schadensersatzanspruch aus DSGVO in Höhe von 100 Euro zugesprochen hatte.
Unter Beruf auf dieses Urteil wurden dann durch einzelne Privatpersonen Schadensersatzansprüche von 100 Euro geltend gemacht.
Einer dieser Anspruchsteller war Ende August 2022 Herr Martin Ismail aus Hannover.
Der Name Martin Ismail taucht einen Monat später wieder auf und zwar als "Teil der Interessengemeinschaft Datenschutz; kurz: IG Datenschutz". Diese Interessengemeinschaft sitzt angeblich unter der Privatadresse des Herrn Ismail. Herr Ismail wird jetzt vertreten von einem Rechtsanwalt Kilian Lenard, Berlin. Dieser macht nunmehr massenhaft für seinen Mandanten im Wege der "Abmahnung" nicht näher bezeichnete Unterlassungsansprüche geltend. Für den Fall der Beendigung des Verstoßes und Zahlung eines Betrags in Höhe von 170 Euro sei man bereit, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Rechtsanwalt Lenard macht keine Anwaltskosten geltend.
Bei der zweiten Abmahnwelle ist ein Rechtsanwalt Nikolaos Kairis Dikigoros (griech. für Rechtsanwalt), RAAG Kanzlei, Meerbusch aktiv. Zunächst vertrat er Herrn Wang Yu (ohne nähere Angaben), inzwischen Frau Wang Yu, Berlin.
Rechtsanwalt Kairis macht für seine Mandantin Unterlassungs-, Löschungs-, Auskunfts- sowie Schadensersatzansprüche aus DSGVO und BGB geltend. Hinzu kommen Rechtsanwaltskosten, sodass sich die geltend gemachte Gesamtforderung auf inzwischen 239,60 Euro beläuft. Gegen Zahlung dieser Kosten und Unterlassung der Datenweitergabe sei die Angelegenheit verglichen.
Der Schutzverband hat Zweifel an der Berechtigung der Anspruchsschreiben: Verschiedene Aspekte legen den Schluss nahe, dass die Geltendmachung der Ansprüche lediglich dazu dient, innerhalb kurzer Zeit massenhaft relativ niedrige Beträge zu vereinnahmen.
Auffällig ist: Sieht man die Nummern der Abmahnungen chronologisch an - bei den Abmahnungen von Rechtsanwalt Kairis gibt es eine Rechnungsnummer, die der Nummer der Aktenzeichen entspricht - ist ein sprunghafter Anstieg der Vorgänge festzustellen. Die Abmahnungen von Rechtsanwalt Kairis tragen inzwischen sechsstellige Nummern, die Abmahnungen von Rechtsanwalt Lenard siebenstellige Nummern!
Die Forderungsschreiben werden ausdrücklich als "Abmahnung" bezeichnet. Eine Abmahnung im wettbewerbsrechtlichen Sinne mit den entsprechenden Konsequenzen wie Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ist damit aber nicht gemeint, zumal auch keine Ansprüche aus dem Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb geltend gemacht werden und auch keine Unterlassungserklärungen gefordert werden. Die Bezeichnung als "Abmahnung" dient also nach Auffassung des Schutzverbandes in erster Linie dazu, Druck bei den Angeschriebenen zu erzeugen. Einer ernsthaften rechtlichen Auseinandersetzung halten die Anschreiben nur bedingt stand, auch wenn der Anspruch vom Grundsatz her bestehen mag. Mindestanforderungen an derartige Forderungsschreiben werden jedoch nicht erfüllt. So kann der Angeschriebene nicht nachvollziehen, wann genau und durch wen der Aufruf der zu beanstandenden Webseite erfolgte. Die beigefügten Quellcodes sind für den Abgemahnten nicht aussagekräftig. In Einzelfällen wurde bei Abmahnungen von Rechtsanwalt Lenard auch der Verdacht geäußert, dass der beigefügte Quellcode nicht dem tatsächlichen Quellcode der Internetseite des Abgemahnten enrspreche!
Im Falle der Abmahnungen von Rechtsanwalt Kairis ist die Identität der Mandantschaft völlig unklar. Eine Frau Wang Yu ist unter der angegebenen Adresse in Berlin nicht auszumachen. Ähnliches gilt für die Mandantschaft von Rechtsanwalt Lenard: Die Rolle und Rechtsform der Interessengemeinschaft Datenschutz, bei der Herr Ismail "Teil" sein soll, wird nicht erläutert. Vor Ort war unter der angegebenen Anschrift kein Hinweis zu Interessengemeinschaft Datenschutz zu finden.
Angesichts der schieren Masse der Abmahnungen stellt sich die Frage, ob die vermeintlichen Ansprüche im Fall der Weigerung auf Seiten der Abgemahnten auch gerichtlich geltend gemacht wurden. Beim Schutzverband gibt es dazu bislang keine Hinweise! Es liegt also der Schluss nahe, dass die Geltendmachung der Ansprüche im Abmahnstadium stecken bleibt und man einer gerichtlichen Auseinandersetzung angesichts der bestehenden Zweifel aus dem Weg geht. Diese Vorgehensweise legt einen Missbrauch nahe!
Der Schutzverband empfiehlt Betroffenen:
- Nehmen Sie derartige Abmahnungen unbedingt zum Anlass, die eigene Webseite vom Fachmann überprüfen zu lassen!
Stellen Sie die dynamische Einbindung von Google Fonts (und auch weitere Einbindungen) auf eine lokale Einbindung um!
Damit können Sie sich auch für eventuelle zukünftige weitere Angriffe weniger angreifbar machen.
- Für eine Zahlung besteht angesichts fehlender Klageverfahren bei gleicher Fallkonstellation derzeit kein Anlass.
Falls Sie dennoch verklagt werden, sollten Sie sich dann anwaltlich vertreten lassen.
- Ist eine Reaktion auf die Abmahnung erforderlich?
Zur effektiven Rechtsverteidigung nicht. Im unwahrscheinlichen Fall einer Klage kann man den ohnehin nicht sehr hohen Zahlungsanspruch unter Inkaufnahme weiterer Kosten, die sich an der Höhe der Klagesumme orientieren, auch noch vor Gericht anerkennen.
Wenn Sie sich allerdings selbst auf einen Schlagabtausch mit den Abmahnenden einlassen, könnte es sein, dass Sie - ähnlich wie bei Spam - Ihre Identität und Streitfreudigkeit offenlegen und dann Ziel eines eventuellen Musterverfahrens werden.
Falls Sie also gegenüber dem Abmahnenden reagieren möchten, sollten Sie hierfür bereits anwaltliche Hilfe einholen.
- Was ist noch zu tun?
Schalten Sie Ihren Berufsverband ein!
Schicken Sie diesem oder direkt an den Schutzverband eine Mail mit einer Kopie der Abmahnung!
Um den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs zu erhärten, benötigt der Schutzverband weitere Informationen, insbesondere zum Umfang der Aussendungen sowie etwaigen Klageverfahren!