Der DSW führt eine lange Tradition verschiedener Verbände fort. Hervorgegangen ist er aus dem „Verein gegen das Bestechungsunwesen“. Dieser wurde im Mai 1911 in Berlin von Wirtschaftsunternehmen und Verbänden gegründet. Sein Ziel war, das Phänomen der Bestechung zu bekämpfen. Im Jahre 1943 kam es auf Anordnung des damaligen Reichswirtschaftsministeriums zur Auflösung. Die Wiedergründung erfolgte im Februar 1955. Die gemeinnützige Anerkennung sowie die Befugnis, Spenden auszustellen war mit der Wiedergründung verbunden. Seit dem Jahre 1973 trug der Verein dann den Namen „Verein gegen Bestechung und Wirtschaftskriminalität“. Die Umbenennung erfolgte im Zusammenhang mit der Sitzverlegung nach Frankfurt und der Verbindung der Verwaltung mit derjenigen der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Seitdem geht der Verein gegen sämtliche Fälle strafbarer Werbung vor. Im Jahr 1978 erfolgte ein Zusammenschluss mit der „Deutschen Zentralstelle zur Bekämpfung der Schwindelfirmen“ mit Sitz in Hamburg. Diese Einrichtung, 1911 gegründet, ging auf den „Verband der deutschen gemeinnützigen und unparteiischen Rechtsauskunftstellen“ zurück. Durch Zusammenschluss der beiden Verbände entstand der Deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität.
Wirtschaftskriminalität versteht sich im Vereinssinne nicht als diejenige der gewerblichen Wirtschaft, sondern als diejenige gewerbsmäßige Kriminalität, die sich gegen Interessen der gewerblichen Wirtschaft aber auch gegen Interessen der Allgemeinheit richtet.
Die Geschichte ist im Detail einsehbar bei Kisseler, WRP 86, 589
Vom Verein gegen das Bestechungsunwesen zum Deutschen Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität *
Dr. jur. Marcel Kisseler
Auch Jubiläen von Wirtschaftsorganisationen sind Veranlassung, Rückschau zu halten und gewissermaßen einen geschichtlichen Überblick zu geben. Je länger die Gründung zurückliegt, um so leichter geraten ihre Vorgeschichte und die Zielsetzung, die mit der Gründung verbunden war, in Vergessenheit. Wenn heute der Deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität auf eine 75jährige Geschichte zurückblicken kann, dann ist dies der richtige Zeitpunkt, sich über die Gesamtentwicklung des Verbandes einen Überblick zu verschaffen und damit aber auch einen Ausblick auf seine zukünftige Tätigkeit zu verbinden.
Die Gründungszeit
Zunächst mag manch einer fragen, weshalb gerade kurze Zeit nach der Verabschiedung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb von 1909 die heute noch maßgebenden Organisationen für die Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs und sonstiger Mißstände in der Wirtschaft gegründet wurden, obwohl doch das Klagerecht der Verbände bereits 1896 eingeführt wurde. Schließlich hatte der Gesetzgeber doch bereits 1896 große Erwartungen in das Klagerecht der Verbände gesetzt. Dementsprechend wurde in der damaligen Begründung u.a. ausgeführt:
"Um aber die Unterdrückung einer unter die Vorschrift fallenden Reklame nicht völlig von dem Entschlusse des einzelnen Mitbewerbers abhängig zu machen, will der Entwurf die gleichen Befugnisse auch den Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen, soweit sie als Partei in Zivilprozessen auftreten können, beilegen und zwar ohne Unterscheidung, ob ein solcher Verein den Schutz des durch die Reklame betroffenen Gewerbezweiges sich zur besonderen Aufgabe macht oder Ziele allgemeiner Art verfolgt" 1).
Trotzdem ist es dann nur vereinzelt zu Gründungen von Organisationen gekommen, die sich speziell dieser Zielsetzung annahmen. Dies lag wohl nicht zuletzt daran, daß das Gesetz von 1896 sich insgesamt als wenig wirksam erwies. Der Gesetzgeber hatte zwar versucht, die bis zur Verabschiedung des Gesetzes bekannten unlauteren Sachverhalte tatbestandsmäßig zu erfassen, es zeigte sich aber sehr bald, daß die konkrete Ausformulierung der Einzeltatbestände Umgehungen erleichterte, die dann auch von der Rechtsprechung gebilligt wurden. Gerade dies führte dann auch zur Neufassung des Gesetzes von 1909. Bezogen auf das Bestechungsunwesen könnte man nun aber ohnehin annehmen, daß sich hier ein wirkungsvoller Kampf der Wirtschaft immer angezeigt hätte, weil es sich dabei um einen Mißstand handelt, der immer schon als verwerflich angesehen wurde, andererseits aber schon in der Antike bekannt war und dort ebenfalls verurteilt wurde. Aber umgekehrt ist eben aus der Antike auch der Spruch bekannt "Es ist keine Mauer so hoch, als daß ein mit Gold beladener Esel sie nicht übersteigen könnte".
Nun wird man aber einsehen müssen, daß sich eine Wirtschaftsorganisation bestimmter Sachverhalte nur dann annehmen kann, wenn sie innerhalb der Rechtsordnung eine Regelung erfahren haben, die Anspruchsgrundlagen begründet. Dies war für Bestechungssachverhalte nicht der Fall. Auf der anderen Seite stand jedoch die Frage der Bekämpfung des Bestechungsunwesens seit der Jahrhundertwende auf der Tagesordnung der wirtschaftlichen Körperschaften. So hat denn damals Heesmann als Mitbegründer des Vereins gegen das Bestechungsunwesen in der ersten Mitgliederversammlung u.a. ausgeführt: "Die verschärfte Konkurrenz im wirtschaftlichen Leben hat es mit sich gebracht, daß das Bestechungsunwesen zu immer größerer Bedeutung gelangt ist. Die Bedeutung dieses Unwesens ist hervorgetreten nicht zum wenigsten in den Erhebungen die der Deutsche Handelstag vor einigen Jahren angestellt hat. Erhebungen, die zu dem Ergebnis führten, daß der Handelstag sich dafür aussprach, daß besondere gesetzliche Bestimmungen gegen dieses Bestechungsunwesen erlassen würden. Auch die Literatur hat sich mit der Frage ziemlich eingehend beschäftigt und hat der praktischen und gesetzgeberischen Lösung der Aufgaben die Wege geebnet. Die Frage war bei den ganzen Erörterungen indessen die, ob auf dem Wege der Selbsthilfe das Übel bekämpft werden könnte oder ob es besonderer gesetzlicher Vorschriften bedürfe. Ich will keiner der vielen Körperschaften zu nahe treten, die sich mit der Frage beschäftigt haben, aber ich glaube, es war die Handelskammer Ludwigshafen, die zuerst die Forderungen aufgestellt hat, daß gesetzliche Bestimmungen erlassen werden müßten, weil die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen nicht ausreichten. Die Reichsregierung verhielt sich zunächst abwartend. Als sie im Jahre 1907 einen vorläufigen Entwurf zu einem neuen Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vorlegte, stand sie auf dem Standpunkt, daß es nicht angezeigt sei, besondere Bestimmungen zu erlassen und sie konnte sich hierbei noch auf die Äußerungen vieler Handelskammern berufen. Auch in dem endgültigen Entwurf, der im Jahre 1909 dem Reichstag vorgelegt wurde, waren derartige Bestimmungen noch nicht vorgesehen. Aber schon bei der ersten Lesung der Vorlage im Reichstag wurde von verschiedenen Abgeordneten die Frage aufgeworfen, ob es nicht richtig sei, in dieses Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb besondere Vorschriften gegen das Bestechungsunwesen aufzunehmen.... Nun hatte man zwar ein Gesetz, aber mit der Anwendung dieses Gesetzes scheint es nach den Erfahrungen, die man gemacht hat, sehr zu hapern; das Gesetz ist nicht ein Messer ohne Klinge, wie man zu sagen pflegt, sondern ein Messer ohne Griff. Es hat eine Klinge, die sogar sehr scharf ist, aber weil es keinen Griff hat, wagt man es nicht, dieses scharfe Messer anzufassen. Heute steht daher die Frage, nachdem man diese Erfahrung gemacht hat, nicht mehr so ob Gesetz oder Selbsthilfe, sondern: Gesetz und Selbsthilfe! Man unterschätzt ja überhaupt bei uns oft den Wert der Selbsthilfe und glaubt, wenn ein schönes Gesetz gemacht sei, dann könnte man sich damit zufrieden geben und könnte es nun den Staatsbehörden überlassen, dieses Gesetz auszuführen. Ist dieser Grundsatz auf vielen anderen Gebieten schon von sehr zweifelhafter Richtigkeit, so ist er gewiß nicht richtig auf dem Gebiet des Bestechungsunwesens, denn die Voraussetzung zu einer Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen liegt darin, daß praktische Fälle bekannt werden, daß die Praxis von den zuständigen Kreisen geprüft wird und daß dann unter Mithilfe der Beteiligten diejenigen Maßregeln ergriffen werden, die das Gesetz ermöglicht...." Weiter wurde dann ausgeführt, daß nunmehr diejenigen Körperschaften und Firmen, die die gesetzlichen Bestimmungen haben wollten, auch die Pflicht hätten, ihrerseits darauf hinzuwirken, daß das Gesetz "Fleisch und Blut" wird. Aus diesem Grunde müsse auch eine neutrale Stelle geschaffen werden, die mit Gründlichkeit und Sachlichkeit dem Gesetz Geltung verschaffe. Zu den Aufgaben des Vereins, die sich aus der Satzung ergeben, wurde u.a. wieder folgendes ausgeführt:
"Es wird fernerhin den Inseraten in den Zeitungen und Zeitschriften Aufmerksamkeit zu schenken sein, in denen sich Anzeigen breit machen, die auf die Förderung des Bestechungsunwesens hinauslaufen. Ich brauche Sie nicht zu erinnern an das krasseste, aber im Versuch steckengebliebene Beispiel, daß eine besondere Industriezentrale sich auftun wollte um geradezu gewerbsmäßig das Bestechungsunwesen zu organisieren. Es ist beim Versuch geblieben; der Vorfall zeigt aber auf welche Abwege man in manchen Kreisen schon geraten ist.
Ich erwähne mit Absicht an letzter Stelle den Fall, daß der Verein auch durch direkte Strafanzeigen gegen schwere Fälle einzuschreiten haben wird, wenn die übrigen Mittel keinen Zweck mehr haben und wenn über die Absicht zu bestechen und über den Grad dieser Bestechung kein Zweifel bestehen kann. Auf der anderen Seite muß der Verein aber auch darauf hinwirken, daß das Gesetz nicht an falscher Stelle angewandt wird. Er muß seine Mitglieder vor solchen falschen Auslegungen schützen und die Rechtsprechung in gutem Sinne beeinflussen und unterstützen" 2).
Diese Überlegungen wurden auch bei der Begründung des Gesetzes von 1909 angesprochen und zwar führte der damalige Reichskanzler zur Begründung der ergänzenden Strafbestimmungen des § 12 UWG im Reichstag aus: "Vor allen Dingen wird es zur wirksamen Bekämpfung der Bestechung der Initiative der beteiligten Kreise bedürfen. Fehlt es an dieser Initiative, dann wird jedes Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb eine stumpfe Waffe gegen die unausgesetzt wechselnden Erscheinungsformen des unlauteren Wettbewerbs bleiben" 3).
Der Verein gegen das Bestechungsunwesen
Die konstituierende Versammlung des Vereins gegen das Bestechungsunwesen fand am 6. Mai 1911 statt. Zum Vorsitzenden des Vorstandes wurde der Geheime Kommerzienrat Dr. v. Brunck, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Badischen Anilin- und Sodafabrik Aktiengesellschaft, Ludwigshafen, gewählt. Namhafte Organisationen und Unternehmen gehörten zu den Gründungsmitgliedern. Einige seien beispielhaft erwähnt:
- Deutscher Handelstag, Berlin
- Handelskammer Lübeck
- Handelskammer Cottbus
- Handelskammer Dresden
- Handelskammer Ludwigshafen
- Handelskammer Mainz
- Handelskammer Görlitz
- Handelskammer Sorau n.-l.
- Zentralverband Deutscher Industrieller
- Bund Deutscher Architekten
- Mittelrheinischer Fabrikantenverein
- Verband Deutscher Waren- und Kaufhäuser
- Verein Deutscher Eisen- und Stahlindustrieller
- Verein Deutscher Motorfahrzeugindustrieller
- Verein Deutscher Papierfabrikanten
- Verein der Deutschen Textilveredelungsindustrie
- Verein zur Wahrung der Interessen der Chemischen Industrie Deutschlands
- Verein zur Wahrung gemeinsamer Wirtschaftsinteressen der Deutschen Elektrotechnik
Von den Firmen und Einzelmitgliedern seien folgende erwähnt:
- Badische Anilin- und Sodafabrik
- Chemische Fabrik Griesheim
- Gewerkschaft Auguste-Viktoria
- Kalle & Co. AG
- Siemens-Schuckart Werke
Dementsprechend war auch der "Ausschuß", der eine gleichartige Funktion wie ein heutiger Beirat hatte, mit maßgebenden Repräsentanten aller Wirtschaftszweige besetzt.
Damit waren gute Voraussetzungen für eine fundierte Verbandstätigkeit gegeben. Die Mitgliederzahl wuchs schnell und stetig. Während bei der Gründung 1911 der Verein 241 Mitglieder hatte, betrug die Mitgliederzahl bereits 1912 950 und im Jahre 1914 bereits 1373. Dieser Mitgliederbestand wurde umschrieben mit drei Staatsbehörden, 14 Städten, 28 Handelskammern, 77 Verbänden und Vereinen, 1242 gewerblichen Betrieben, 7 Rechtsanwälten und einem Professor des Strafrechtes. Die Mitgliederzahlen stiegen dann trotz des ersten Weltkrieges und der Nachkriegszeit weiter an. Die höchste Mitgliederzahl wurde 1927 mit 1606 Mitgliedern erreicht. Sie ging dann auf ca. 1000 Mitglieder in den 30er Jahren zurück 4).
Der Verein hat in den ersten Jahrzehnten seiner Tätigkeit wesentlich zur Eindämmung des Bestechungsunwesens beigetragen. Zugleich hat er sich auch bemüht, im internationalen Bereich Verständnis für seine Zielsetzung zu finden. In einer Eingabe vom 1. Sept. 1913 an den internationalen Kongreß der Handelskammern und wirtschaftlichen Vereine wies er darauf hin, daß das Bestechungsunwesen eine internationale Erscheinung ist und deshalb von allen, die im Weltverkehr stehen und die Berichte der Presse daraufhin aufmerksam verfolgen, nicht geleugnet werden könne. Gerade in letzter Zeit häuften sich die Nachrichten aus verschiedenen Ländern über aufregende Bestechungsfälle. Es müsse deshalb insbesondere in Ländern mit entwickeltem Wirtschaftsleben in stets zunehmendem Maße mit solchen Mißständen gerechnet werden, so daß Gegenmaßnahmen erforderlich seien. Dieses Ziel wurde jedoch bis heute nur unvollkommen erreicht, so daß schon immer die Frage aufgeworfen wurde, inwieweit § 12 auf Wettbewerbshandlungen Anwendung finden könne, die im Ausland begangen werden.
Der Verein hat sich stets bemüht, durch wissenschaftliche Vorträge seine Zielsetzung verständlich zu machen und dabei auch deutlich gemacht, daß er sich der Probleme annimmt, die bei der Anwendung des § 12 UWG für die Praxis entstehen.
In einem Vortrag von Bundesrichter Dr. Spengler auf der Mitgliederversammlung im Jahre 1962 5) wurde deshalb auch gerade dieser Fragenbereich behandelt. Spengler führte hierzu u.a. aus: "Als schwere Benachteiligung des deutschen Außenhandels müßte es sich dagegen auswirken, wenn sich die deutschen Ex- und Importeure auch im Ausland nur in den Schranken unseres hoch entwickelten Wettbewerbsrechts bewegen dürften, während Anbieter oder Einkäufer aus anderen Ländern das altbewährte Mittel wie man sich Freunde schafft und Einfluß auf Menschen gewinnt, ungehemmt anwenden dürfen. Am stärksten dürfte sich ein solches Handikap in den unterentwickelten Ländern auswirken, in denen überhaupt noch kein ernstzunehmendes Wettbewerbsrecht existiert. Wenngleich wir keinen Blick hinter die Kulissen der Entwicklungshilfe zu werfen vermögen, so sagt uns doch eine innere Stimme, daß man selbst auf diesem Gebiet im Ausland nicht ohne gewisse Gefälligkeiten der maßgeblichen Persönlichkeiten zurecht kommen kann. -- Aber auch in den westlichen Industriestaaten würde den deutschen Vertretern die geschäftliche Durchsetzung sehr schwer gemacht, wenn sie keine Gefälligkeitsgeschenke machen oder annehmen dürften, während ihre ausländischen Rivalen nur hinter dem Rücken des eigenen oder des auf der Gegenseite beteiligten Geschäftsherrn nicht so handeln dürften."
Er wies dann weiter darauf hin, daß man die Rechtsprechung zu § 1 zu wettbewerbswidrigen Handlungen im Ausland nicht einfach auf den Sondertatbestand des § 12 übertragen könne und fährt dann fort "dennoch enthält sie eine Grunderkenntnis, die auch im Rahmen der Bestechungsvorschrift nicht unbeachtet bleiben darf". Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH in Strafsachen führt er dann weiter aus:
"Übersetzt man diese Grundsätze in die großzügigeren Verhältnisse des internationalen Handels, so dürfte dort je nach Lage des Einzelfalles manches noch als Höflichkeitsgabe zu dulden sein, was im Inlandsverkehr bereits den Verdacht der Korruption nach sich ziehen müßte. Noch ein weiterer Gedanke des bereits zitierten "Feuerzeug"-Urteil des 1. Zivilsenates dürfte eine wertvolle Hilfe für die Abwägung, ob ein Vorteil zu unsauberen Zwecken oder als unverfängliches Gelegenheitsgeschenk zugewendet worden ist, darstellen. Der 1. Zivilsenat führt in GRUR 1959, 33 aus, daß es zwar für den Tatbestand des § 12 nicht entscheidend auf die Mitwisserschaft der Anstellungsfirma ankomme, weil die genannte Vorschrift nach allgemeiner Rechtsauffassung den Schutz der Mitbewerber nicht des Geschäftsherrn, bewirken solle. Das schließe es aber nicht aus, diesen Gesichtspunkt bei Prüfung der Frage ob die Handlungsweise des Angestellten gegen die kaufmännischen guten Sitten im Sinne des § 1 UWG verstoße, mit heranzuziehen. -- Wir möchten noch einen Schritt weiter gehen und folgende Anregung zur Auslegung des § 12 vortragen: Erfolgt das Geben oder Nehmen von Zuwendungen im Auslandsgeschäft mit ausdrücklicher Billigung des Dienstherren, so muß dieser Umstand als ein Beweisanzeichen dafür gewertet werden, daß der Bestechungscharakter voraussichtlich fehlt."
Diese Hinweise mögen genügen, um zu verdeutlichen, daß sich der Verein stets bemüht hat, praxisgerechte Entwicklungen zu fördern und nicht weltfremd Theorien der reinen Lehre anzuhängen.
Diese Einstellung zieht sich durch die ganze Verbandsgeschichte durch, wie auch noch an anderen Beispielen zu zeigen sein wird. Erschwert wurde die Vereinstätigkeit während der Zeit des Dritten Reiches. An den Mitgliederversammlungen nahmen die Vertrauensmänner der Abteilung zur Wahrung der Berufsmoral beim Wirtschaftsstab des Stellvertreters des Führers teil. Trotzdem konnte er anläßlich des 25jährigen Bestehens im Jahre 1936 darauf hinweisen, daß die Forderung nach Berufsmoral und der Kampf gegen Bestechung zwar bereits in weiten Kreisen der deutschen Wirtschaft als selbstverständlich angesehen würden, aber die Erfahrungen gelehrt hätten, daß auf beiden Gebieten noch vieles zu verbessern und zu schaffen ist. Der Verein konnte dann aber letztlich nicht verhindern, daß er im Jahre 1943 aufgelöst wurde. Die im Dritten Reich vertretene Weltanschauung unter der Devise "Gemeinnutz geht über Eigennutz" verneinte die Möglichkeit jeglicher Korruption, am allerwenigsten etwa bei Parteigenossen auch des mindesten Grades, etwa eines Ortsgruppenleiters, von den hohen und höchsten Funktionären der Partei ganz zu schweigen. Die entsprechende Anordnung des damaligen Staatssekretärs im Reichswirtschaftsministerium ist nachstehend wiedergegeben: "582 VR. 12121 zu Bl. 75 Anordnung über die Auflösung der Reichsstelle für Wirtschaftsmoral e.V. und des Vereins gegen Bestechung e.V. in Berlin.
Im Einvernahmen mit dem Chef der Sicherheitspolizei und des SD löse ich auf Grund des § 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft vom 27. Februar 1934 -- Reichsgesetzbl. I S. 185 --
pp. den Verein gegen Bestechung e.V. pp. in Berlin-Schöneberg, Hauptstr. 144,
mit Wirkung vom 16. August 1943 auf.
Das Vermögen (Rechte und Verbindlichkeiten) der genannten Verbände gehen ohne Liquidation auf die Reichswirtschaftskammer, Berlin, über.
Soweit Vermögensbestandteile Aufgaben der genannten Vereinigungen dienen, die vom Chef der Sicherheitspolizei und des SD wahrgenommen werden, gehen die Rechte und Verbindlichkeiten an diesen Vermögensbestandteilen auf den Chef der Sicherheitspolizei und des SD, Berlin über. Das gesamte vorhandene Barvermögen geht jedoch auf die Reichswirtschaftskammer, die Rechte und Verbindlichkeiten aus den bestehenden Mietverträgen gehen auf den Chef der Sicherheitspolizei und des SD über.
Ich behalte mir vor, bei etwa auftretenden Zweifelsfragen weitere Bestimmungen über den Vermögensübergang zu treffen.
Berlin, den 16. August 1943
Der Reichswirtschaftsminister
In Vertretung
gez. Dr. Landfried
III WOS 1a/17022/43" 6)
In den ersten Nachkriegsjahren fehlten die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Vereinsarbeit. Die Bemühungen hierzu begannen kurz nach der Währungsreform, dauerten dann jedoch mehrere Jahre, weil es zunächst nicht einfach war, neben der wiedergegründeten Wettbewerbszentrale noch für eine weitere Organisation die notwendigen Mittel aufzubringen. Sehr bald zeigte sich jedoch bei der Arbeit der Wettbewerbszentrale, daß die von dem Verein gegen das Bestechungsunwesen früher bearbeiteten Sachverhalte keine unmittelbare Verbindung zur Tätigkeit der Wettbewerbszentrale haben. Der Deutsche Industrie- und Handelstag, die Industrie- und Handelskammer Dortmund, die Industrie- und Handelskammer Essen, der Bundesverband des privaten Bankgewerbes, die Kaufhof AG, Köln, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs gemeinsam mit dem früheren Geschäftsführer des Vereins, Herrn Dr. Ernst Kessel, haben den Verein wiedergegründet und zwar am 25. Febr. 1955. Der Gründung vorausgegangen waren vielfältige Verhandlungen mit Bundes- und Landesministerien, insbesondere mit dem Bundesministerium für Finanzen, dem Bundesministerium für Wirtschaft, dem Bundesministerium für Verkehr, dem Bundesverteidigungsministerium und den entsprechenden Ministerien der Länder. Außerdem wurde auch von den Strafverfolgungsbehörden die Wiederaufnahme der Tätigkeit begrüßt.
So gingen dem Verein damals auch entsprechende Erklärungen des Generalbundesanwaltes und der Generalstaatsanwälte bei den Oberlandesgerichten in Bamberg, Braunschweig, Bremen, Celle, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Hamm, Kaiserslautern, Karlsruhe, Koblenz, Köln, München, Neustadt an der Weinstraße, Nürnberg, Oldenburg, Schleswig, Stuttgart und beim Kammergericht in Berlin zu.
Gewissermaßen als Wiedergutmachung der Vereinsauflösung im Dritten Reich wurde der Verein von Anfang an als gemeinnützig anerkannt und ihm auch die Befugnis erteilt, Spendenbescheinigungen auszustellen. Er ist dementsprechend auch in die Liste der förderungswürdigen Organisationen, die Bußgelder von den Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie von Behörden zugewiesen bekommen können, aufgenommen.
Sehr schnell konnte der Verein dann auch eine repräsentative Mitgliederliste vorlegen und zwar bereits im August 1955. Neben dem Deutschen Industrie- und Handelstag waren eine Vielzahl von Industrie- und Handelskammern Mitglied geworden. Alte Mitgliedschaften waren erneuert worden wie z.B. beim Bund Deutscher Architekten, bei der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels, beim Bundesverband des privaten Bankgewerbes, bei den Verbänden der Textilindustrie, der Wirtschaftsvereinigung Bergbau und anderen Wirtschaftsorganisationen. Namhafte Firmen bekannten sich wieder zur Zielsetzung des Vereins, wie z.B. die Daimler-Benz AG, die Gelsenkirchener Bergwerks AG, die Gewerkschaft Auguste-Viktoria, die Th. Goldschmidt AG, Franz Haniel & Cie. GmbH, die Henkel & Cie. GmbH, die Industriekreditbank AG, die Karstadt AG, die Kaufhalle GmbH, die Kaufhof AG, Friedrich Krupp und viele andere. Der Verein entwickelte dann schnell eine umfangreiche Tätigkeit und konnte anläßlich seines 50jährigen Bestehens im Jahre 1961 auf viele Erfolge verweisen. Er war in viele Korruptionsaffairen der Nachkriegszeit eingeschaltet und hat auch als Nebenkläger häufig die Belange der gewerblichen Wirtschaft vertreten. In den folgenden Jahren zeigte sich dann allerdings, daß der Arbeitsbereich in der heutigen Zeit für eine Verbandstätigkeit insgesamt zu eng begrenzt war. Der Verein machte es sich deshalb zum Ziele, den gesamten Bereich der Wirtschaftskriminalität mit zu erfassen und gab dies auch in einer Änderung des Vereinsnamens zu erkennen. Seit 1973 führte er den Namen Verein gegen Bestechung und Wirtschaftskriminalität. Zur gleichen Zeit wurde die Vereinsgeschäftsstelle nach Frankfurt verlegt und mit der Verwaltung der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs verbunden. Ziel war dabei, daß neben Fragen der allgemeinen Wirtschaftskriminalität der Verein insbesondere auch die Bearbeitung aller Fälle strafbaren Wettbewerbs übernimmt. Seit dieser Zeit besteht Personalunion zwischen dem Verein und der Wettbewerbszentrale, d.h. der Präsident der Wettbewerbszentrale ist zugleich Vorsitzender des Vorstandes des Vereins und das geschäftsführende Präsidiumsmitglied der Wettbewerbszentrale ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Vereins.
Diese organisatorische Zusammenführung hat sich in den Folgejahren bewährt. Nicht zuletzt deshalb kam es auch zu Überlegungen, die Organisation der bundesweit mit der Verfolgung von Mißständen in der Wirtschaft befaßten Unternehmen weiter zu straffen und zwar durch die Verbindung des Vereins gegen Bestechung und Wirtschaftskriminalität mit der Deutschen Zentralstelle zur Bekämpfung der Schwindelfirmen.
Die Deutsche Zentralstelle zur Bekämpfung der Schwindelfirmen
Die Deutsche Zentralstelle zur Bekämpfung der Schwindelfirmen wurde ebenfalls 1911 gegründet. Sie verdankt ihre Entstehung dem im Jahre 1906 in Magdeburg gegründeten "Verband der deutschen gemeinnützigen und unparteiischen Rechtsauskunftsstellen". Diese Rechtsauskunftsstellen waren zum Teil als gemeinnützige und unparteiische Einrichtungen von den Gemeinden oder freien Wohlfahrtsorganisationen ins Leben gerufen worden, zum Teil wurden sie von politischen, konfessionellen oder gewerkschaftlichen Einrichtungen getragen, mit deren Bestrebungen sie eng verbunden waren. Sie hatten sich die Erteilung von Rechtsauskunft und Gewährung praktischer Rechtshilfe an minderbemittelte Volkskreise zur Aufgabe gestellt. Die Verschiedenartigkeit der Träger dieser Rechtsauskunftsstellen führte dann zu einer organisatorischen Zersplitterung, die einer Vereinheitlichung und Zusammenfassung bedurfte.
Hierbei ließ man sich von der Erkenntnis leiten, daß der "Kampf gegen das unlautere geschäftliche Gebahren, gegen die geschäftliche Unmoral gewisser Schwindelfirmen" aufzunehmen sei, weil "in gewissenloser Weise überwiegend die minderbemittelten Volkskreise" ausgebeutet würden.
Nachdem man sich auf der dritten Versammlung des Verbandes der Rechtsauskunftsstellen mit den Themen "Die Praxis der Schwindelfirmen und ihre Bekämpfung", "Die Praxis der Schwindelkassen und ihre Bekämpfung" sowie "Die Mißstände in der Praxis der Kredithäuser und ihre Bekämpfung" befaßt hatte, beschloß man, die Zentralstelle zu gründen. Dabei wurde betont, "daß zweifellos den maßgebenden Behörden und Kooperationen, insbesondere den Gerichten, Staatsanwaltschaften, Polizeibehörden, Handels- und Gewerbekammern und anderen Interessenvereinigungen häufig die richtige Kenntnis von dem wirklichen Umfang des Schwindelunwesens fehle. Gewöhnlich seien es immer nur vereinzelte Fälle die zu ihrer Kenntnis gelangen und daher nicht die genügende Beachtung fänden. Würde es dagegen zum Beispiel gelingen, in einem Prozeß dem Gericht darzulegen, daß die Firma, um die es sich handele, nicht nur in einem, sondern in 50 und mehr Fällen das gleiche schwindelhafte Manöver angewandt hätte, so würde der Zivilrichter ebenso wie der Strafrichter aufgrund dieser Häufung des Materials zu einer anderen Beurteilung der Sachlage gelangen. Notwendig sei also, daß jeder einer Rechtsauskunftsstelle zur Kenntnis gelangende Fall, der auf das Auftreten einer Schwindelfirma schließen lasse, von ihr einer Zentralstelle gemeldet werde, als welche die Geschäftsstelle des Verbandes in Lübeck in Betracht komme. Diese Zentralstelle solle sodann alle ihr zugehenden Anzeigen sammeln, wodurch sie in die Lage versetzt werde, ein reiches Material zusammenzustellen und gestützt hierauf beurteilen zu können, ob man es mit einer Schwindelfirma zu tun habe... "
Sehr schnell entwickelte sich eine enge und umfangreiche Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften und Strafgerichten. Zum anderen "floß der Zentralstelle aus dem ganzen Reiche von den gemeinnützigen Rechtsberatungsstellen, von Gerichts- und Verwaltungsbehörden, von den Staatsanwaltschaften, von zahlreichen Handels- und Gewerbevertretungen, von Rechtsanwälten und Richtern und vor allem auch -- Dank der Mitarbeit der Presse -- von den Geschädigten selbst ein umfassendes Material zu, das sie befähigte auch während des ersten Weltkrieges, trotz der kurzen Zeit ihres damaligen Bestehens, ihre erfolgreiche Tätigkeit fortzusetzen, denn die Schwindelfirmen verschwanden während des Krieges keineswegs, sie paßten sich nur den veränderten Verhältnissen an. So wurde Riesenschwindel mit Liebesgaben getrieben, die -- obwohl minderwertig -- zu wucherischen Preisen angeboten wurden; andere Firmen legten sich auf den Ersatzmittelschwindel, den sie als besonders aussichtsreich ansahen. Daß gewissenlose Firmen sich schließlich nicht einmal scheuten, die in der Heimat auf sich selbst gestellten Kriegerfrauen, die Kriegsverletzten und die Hinterbliebenen von im Kriege Gefallenen betrügerisch auszubeuten, ist leider eine weit bekannte Tatsache."
Mit viel Idealismus wurde der Zusammenbruch der Zentralstelle nach dem ersten Weltkrieg verhindert. Die eigentliche Wiederaufbauarbeit konnte allerdings erst in den Jahren 1926 und 27 wieder beginnen. Die Zentralstelle entwickelte wieder eine gleiche Rührigkeit wie in den ersten Jahren ihres Bestehens. Sie verlegte dann 1930 ihre Geschäftsstelle nach Hamburg und behielt diesen Vereinssitz auch in den kommenden Jahrzehnten bei.
Bei ihrer Tätigkeit legte sie folgenden Begriff einer Schwindelfirma zugrunde: "Schwindelfirmen sind Unternehmen, die es darauf abstellen, entweder selbst oder durch ihre Vertreter systematisch minderwertige oder wertlose Leistungen unter Vorspiegelung eines besonders günstigen Angebotes zu unangemessenen Preisen anzubieten oder überhaupt gewerbsmäßig mit unlauteren Mitteln günstig erscheinende, in Wirklichkeit aber schädigende Geschäftsabschlüsse zu erzielen."
Bei der Verfolgung von Mißständen zeigte sich im Rahmen seiner Tätigkeit, daß immer wieder gleichartige Sachverhalte verfolgt werden mußten, nämlich: Betrügereien in Wohnungsangelegenheiten, unlautere Heimarbeitsangebote, Kreditschwindeleien der verschiedensten Art, unreelles Verhalten von Werbevertretern an der Haustür, bedenkliche Machenschaften bei Angeboten auf Schreibmaschinen, Waschmaschinen, Bügelinstituten und vor allem Warenautomaten..
Diese Tätigkeit hat die Zentralstelle in der Nachkriegszeit wieder mit Erfolg fortgesetzt, deshalb stand auch bereits wieder in den Richtlinien für das Strafverfahren von 1953 im 9. Abschnitt "Betrug" unter Ziff. 244, Abs. 3 folgender Hinweis: "Bei der Bekämpfung von Schwindelunternehmen kann es zweckmäßig sein, mit der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schwindelfirmen in Hamburg in Verbindung zu treten. Die Zentralstelle sammelt das Material über das Geschäftsgebahren der Schwindelunternehmen und die von den verschiedenen Stellen im Kampfe gegen sie gemachten Beobachtungen. Aufgrund ihrer umfangreichen Stoffsammlung kann sie wertvolle Auskünfte erteilen, auch zur Ermittlung geeigneter Sachverständiger beitragen. Anträgen der Zentralstelle auf Urteilsabschriften oder Auskunft aus den Akten wird daher stattzugeben sein, soweit nicht besondere Bedenken oder Interessen dritter Personen entgegenstehen" 7).
Auf die Tätigkeit der Zentralstelle lassen sich auch Ausführungen die Zirpius 8) auf einer Mitgliederversammlung des Vereins gegen das Bestechnungsunwesen im Jahre 1965 gemacht hat, beziehen. Er befaßt sich darin ganz allgemein mit Wirtschaftsdelikten und führt hierzu u.a. aus: "Die Wirtschaftsdelikte treten meist äußerlich in erlaubten Formen, oft im Gewande normaler wirtschaftlicher Betätigung auf. Sie verlaufen parallel zur Rechtsordnung und werden so raffiniert ausgestaltet, daß das gesetzwidrige von Außenstehenden, aber auch vom Geschädigten selbst nicht sofort oder überhaupt nicht erkannt wird." In seinen weiteren Ausführungen weist er darauf hin, daß eben häufig das Vertrauen mißbraucht werde, während umgekehrt auch im Geschäftsverkehr das Vertrauen eine wesentliche Grundlage sei. Wörtlich heißt es hierzu: "Das Vertrauen in die Lauterkeit und Redlichkeit, Startgleichheit usw. ist ein Fundament der modernen Gesellschaft und ein Pfeiler der Wirtschaft, mag es sich um eine freie oder um eine gelenkte oder geplante Wirtschaft handeln. In jedem Falle müssen die Teilnehmer am wirtschaftlichen Verkehr sich darauf verlassen können, daß ihre Partner sich wirtschaftsgerecht verhalten. Bei einer freien Wirtschaft bedeutet das, daß jeder Teil die Leistungen erbringt, zu welchen er sich verpflichtet hat. Bei der gebundenen Wirtschaft vor allem, daß niemand für sich eine Leistung zu erlangen sucht, auf die er keinen Anspruch hat. Von diesen Pflichten schließen sich die Wirtschaftskriminellen aber aus. Bei der Korruption, beim Vermittlungsbetrag, beim unlauteren Wettbewerb usw. mißbrauchen sie das ihnen entgegengebrachte Vertrauen und enttäuschen nicht nur den Partner, sondern erschüttern auch den Glauben der Allgemeinheit an Sauberkeit und Redlichkeit im Wirtschaftsverkehr überhaupt." Dementsprechend wird der Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des geltenden Zivilrechtes und der auf erhöhtem Vertrauen beruhenden kaufmännischen Gepflogenheiten verurteilt.
Zur Tätigkeit von Schwindelfirmen wird dann weiter ausgeführt:
"Hinzu kommt, daß die Schwindelfirmen die Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des Zivilrechtes für ihre Zwecke ganz besonders ausnützen und häufig die Stirn besitzen, ihre Kunden, wenn diese rebellisch werden wollen, mit Mahnverfahren und Klagen zu überziehen, um die Beweislage umzukehren. Den Opfern fällt es dann nicht leicht, vor Gericht den Nachweis zu erbringen, daß sie arglistig getäuscht worden waren. Bereits in ihrem Bericht für die Jahre 1945 bis 1950 hatte die Deutsche Zentralstelle zur Bekämpfung der Schwindelfirmen in Hamburg festgestellt: "Es sind Hunderttausende, die völlig unnötig aufgrund von Urteilen bezahlt werden müssen, die nicht ergangen wären, wenn die Beklagten dem Gericht den Nachweis erbracht hätten, daß die Kläger berüchtigte Schwindelfirmen sind, deren Methoden bekannt und deren Unlauterkeiten durch zahlreiche Einzelfälle erwiesen sind." Daß die so Enttäuschten an der Gerechtigkeit zu zweifeln beginnen, ist verständlich."
Trotz dieser verdienstvollen Tätigkeit der Deutschen Zentralstelle zur Bekämpfung der Schwindelfirmen konnte nicht verhindert werden, daß die Verbandstätigkeit nicht mehr die Unterstützung fand, insbesondere auch nicht die Unterstützung der öffentlichen Hand, die notwendig gewesen wäre, um ihre erfolgreiche Tätigkeit fortzusetzen. Zum Teil liegt dies auch an dem wohl überzogenen Datenschutz bei Schwindelfirmen. Wenn man in der Öffentlichkeit nicht mehr ansprechen darf, was einzelne unter dem Mantel einer Schwindelfirma für Schäden anrichten, dann wird ein wesentlicher Teil der Tätigkeit wie ihn die Zentralstelle immer verstanden hat, unmöglich gemacht. Auf der anderen Seite ist es nach wie vor notwendig, Schwindelfirmen das Handwerk zu legen. Es bestand deshalb auch bei den Mitgliedsorganisationen und Mitgliedsfirmen des Vereins gegen Bestechung und Wirtschaftskriminalität und der Deutschen Zentralstelle zur Bekämpfung der Schwindelfirmen Übereinstimmung, daß alle Arbeitsbereiche wirkungsvoll weitergeführt werden müssen, daß aber eben hierfür eine organisatorische Straffung notwendig war und so kam es 1978 zur Zusammenführung.
Deutscher Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität
Mit Wirkung vom 1. Jan. 1978 wurden der Verein gegen Bestechung und Wirtschaftskriminalität und die Deutsche Zentralstelle zur Bekämpfung der Schwindelfirmen vereinigt zum Deutschen Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität. Die neue Organisation führt seit dem die Tradition der beiden Vorläuferorganisationen fort und kann sich dabei nicht nur auf die Tradition, sondern auch auf die Erfahrung beider Organisationen stützen. Durch die Zusammenführung der beiden Organisationen ergibt sich für den Schutzverband nunmehr die Aufgabe, das Bestechungs- und Schmiergeldunwesen, strafbare Werbung, Straftaten in der Wirtschaft, den Kreditschwindel und die Schwindelfirmen ggf. im Zusammenwirken mit den zuständigen Stellen der Rechtspflege zu bekämpfen und im Rahmen dieser Aufgabenstellung vorbeugend zu wirken. Diese Zusammenführung war zugleich die Bestätigung des Willens der gewerblichen Wirtschaft, in eigener Verantwortung die Selbstreinigungskräfte der gewerblichen Wirtschaft zu aktivieren. Sie entspricht dem allgemeinen Erfordernis, sich verstärkt gegen den Bereich von Straftaten zu wenden, die heute unter dem Schlagwort "Wirtschaftskriminalität" erfaßt werden. Dies erscheint auch deshalb besonders notwendig, weil diesen Mißständen in der Wirtschaft in den letzten Jahren zunehmend auch vom Gesetzgeber Rechnung getragen wird und man die Schädlichkeit dieser Kriminalität im Wirtschaftsleben für die Wirtschaft, die Verbraucher und die Allgemeinheit erkannt hat.
Ganz besonders kommt es für die neue Organisation darauf an, daß die Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden, der Polizei und den Justizbehörden immer weiter intensiviert wird. Es gilt nämlich zu verhindern, daß die Straftäter ihr gesetzwidriges Handeln während der Dauer des Strafverfahrens fortsetzen. Mit dem Vorgehen des Schutzverbandes soll vielmehr sichergestellt werden, daß notfalls die Mittel des Zivilrechtes eingesetzt werden, um kurzfristig zu einer Einstellung der strafbaren Handlungen zu kommen. Insoweit liegen inzwischen auch bereits einschlägige Erfahrungen vor, insbesondere bei der sog. Schneeballwerbung, aber auch bei anderen Schwindelfirmen. Kein Mittel hat sich für die Einstellung solcher Praktiken als so wirksam erwiesen wie die einstweilige Verfügung im Zivilprozeß, die durch die Androhung von Ordnungsstrafen bis zu DM 500.000,-- jeden daran hindert, sein gesetzwidriges Tun fortzusetzen.
Der Begriff Wirtschaftskriminalität
Bereits im Zusammenhang mit der Aufnahme des Wortes "Wirtschaftskriminalität" in den Vereinsnamen hat der Verfasser darauf hingewiesen, daß die Auseinandersetzung mit dem Problem der Wirtschaftskriminalität dadurch erschwert wird, daß in der öffentlichen Diskussion dieser Begriff als Schlagwort verwandt wird, das zur Diffamierung der gewerblichen Wirtschaft dienen soll. Schon vorher hatte der Verfasser vor der kritiklosen Übernahme dieses Begriffes gewarnt, weil es sich eben nicht um Kriminalität der gewerblichen Wirtschaft handelt, sondern um meist gewerbsmäßige Kriminalität, die sich sowohl gegen Interessen der gewerblichen Wirtschaft wie gegen die Interessen der Allgemeinheit richtet 9) . - 594 -
Die Entwicklung ist jedoch über diese Bedenken hinweggegangen, zumal damals der Zeitgeist zu Unternehmerfeindlichkeit neigte. Dem entsprach seinerzeit auch die Äußerung des Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft selbständiger Unternehmer, nach der das Unternehmerbild eines wachsenden Teils der Bevölkerung immer mehr zu einer bösartigen Karikatur werde. Es sei geprägt von Begriffen wie Profitgier, Ausbeutung, Lohnraub, Konsumterror und Umweltverschmutzung. Schon hieraus ergibt sich die Notwendigkeit zu einer Versachlichung der Diskussion. Jedenfalls hat der Begriff der Wirtschaftskriminalität, wie er laienhaft verstanden wird, wesentlich mit dazu beigetragen, das Ansehen der Unternehmerschaft zu schädigen.
Dabei waren es gerade die Unternehmer, die nunmehr seit fast 100 Jahren sich immer dafür eingesetzt haben, Mißstände und erst recht Kriminalität überall da zu bekämpfen, wo sie im Wirtschaftsleben auftreten. Was heute als Wirtschaftskriminalität bezeichnet wird, sind überwiegend Vermögensdelikte bzw. Zoll- und Steuervergehen oder jedenfalls Delikte, die sich im Bereich des Vermögens der Betroffenen auswirken. Es wäre deshalb sicherlich besser gewesen, einen anderen Sachbegriff zu wählen, weil keine Veranlassung besteht, auch nicht vom Täterkreis her, den grundsätzlich neutralen Begriff "Wirtschaft" mit dem Begriff der Kriminalität zu verbinden.
Häufig wird der Begriff synonym verwandt mit dem Begriff, den der amerikanische Soziologe Sutherland geprägt hat, nämlich der "White color criminality". Sutherland schrieb diese Art des Verbrechens in erster Linie der Oberschicht zu. Er bezog seine Vorwürfe auf die Führungskräfte der Großunternehmen der Industrie, des Handels und der Finanzwelt 10).
Die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere in der Bundesrepublik Deutschland zeigen jedoch, daß damit völlig falsche Feindbilder aufgebaut werden.
Nachdem aber nun zu Beginn dieses Jahres bereits ein zweites Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität durch den Bundestag verabschiedet worden ist, muß man sich wohl mit dem Begriff Wirtschaftskriminalität abfinden. Eine klare Definition des Begriffes konnte bis heute nicht gefunden werden, so z.B. auch nicht auf dem Juristentag 1972, der diese Fragen eingehend diskutiert hat. Es erscheint deshalb nach wie vor zweckmäßig, eine Abgrenzung zu finden, die den heutigen Bedürfnissen der Praxis weitgehend Rechnung trägt. Diese Voraussetzung ist immer noch weitgehend bei der Einteilung gegeben, die die Kriminalpolizei bei der Verfolgung von Wirtschaftsdelikten zugrunde legt. Danach sind als Wirtschaftsdelikte anzusehen Abgabendelikte, Akkreditivbetrug, Bankrott, Bestechung (StGB und § 12 UWG), Beteiligungsbetrug, Betrug zum Nachteil von Banken, Privatpersonen, öffentliche Hand und Firmen, betrügerische Vertragsabschlüsse, Finanzierungsbetrug, Hypothekenbetrug, Immobilienbetrug, Kautionsbetrug, Leistungsbetrug und Leistungskreditbetrug, Lizenzbetrug, Subventionsbetrug, Scheckbetrug, Schmuggel, Umschuldungsbetrug, unlauterer Wettbewerb, Verstoß gegen Kartellvorschriften, Wechseldelikte, Wertersatzbetrug, Wertpapierdelikte, Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz, Wiedergutmachungsbetrug und Versicherungsbetrug. Soweit das Außenwirtschaftsgesetz, das Kartellrecht und das UWG angesprochen wird, handelt es sich dabei in der Regel um Ordnungswidrigkeiten, so daß von Kriminalität hier nicht gesprochen werden kann. Insbesondere ist auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb nie als ein Kriminalitätsgesetz gesehen worden. Es gibt eben lediglich einige Strafvorschriften, die aber gerade auf Anregung der Unternehmerschaft und ihrer Organisationen in das Gesetz aufgenommen worden sind.
Zum Umfang der Wirtschaftskriminalität
Sehr schnell wird in der öffentlichen Diskussion von Milliardenschäden durch Wirtschaftskriminalität gesprochen. Dies paßt eben auch zu dem Begriff des Weißen-Kragen-Täters und zu den Vorurteilen und Vorbehalten, die man gegenüber der Wirtschaft hat. Die nüchternen Zahlen, die sich nachweisen lassen, ergeben ein völlig anderes Bild. Nach der aufschlußreichen Darstellung in WIK Wirtschaftskriminalität, Information und Warnung, die in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität herausgegeben wird, sind die Einzelangaben in Heft 2/86, Seite 38 bis 40 wiedergegeben. Danach werden seit 1974 alle Wirtschaftsdelikte bundesweit statistisch erfaßt. Der Gesamtschaden lag im Jahr 1984 bei 5,7 Milliarden DM gegenüber 6,9 Milliarden DM im Jahre 1983. Besonders bemerkenswert erscheint gerade auch für die werbungtreibende Wirtschaft, daß der Anteil der Ermittlungen nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb bei 1% liegt und damit über mehrere Jahre bei dem gleichen Prozentsatz. 37% der Ermittlungsverfahren beziehen sich auf das Steuer- und Zollrecht, 14,6% auf Betrug und 11,9% auf Konkursstraftaten. Dies sind aber sicherlich nicht die Fälle, die sich die Öffentlichkeit unter Wirtschaftskriminalität vorstellt. Es gilt deshalb nach wie vor noch erhebliche Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, damit nicht Effekthascherei das Meinungsbild zum Nachteil der Wirtschaft verändert.
Ein Beispiel bietet auch die Darstellung im Sicherheitsberaters vom 15.4. 86, Seite 1 unter der Überschrift "Computerkriminalität und die Dunkelziffer". Danach schätzen Fachleute angeblich den jährlich verursachten Schaden durch Computerkriminalität in der Bundesrepublik auf 15 Milliarden DM. Zu Recht wird demgegenüber darauf hingewiesen, diese häufige Wiederholung der Milliardenzahlen, gelegentlich seien es nur 5 Milliarden, manchmal aber sogar 50 Milliarden, machten diese Zahlen weder wahrscheinlicher noch richtiger. Bei 50.000 Betrieben müßte sich immerhin ein Schaden von durchschnittlich DM 300.000,-- eingestellt haben. Würde man sich aber sogar nur vorstellen, daß nur 25.000 Betriebe betroffen wären, wäre der Einzelschaden bereits bei 600.000,-- DM.
Es ist deshalb niemand damit gedient, durch aufgebauschte Zahlen und vermeintlich hohe Dunkelziffern den Eindruck zu erwecken, als werde das Wirtschaftsleben zu einem erheblichen Teil von Wirtschaftskriminellen bestimmt.
Die Aufgaben des Schutzverbandes für die Zukunft
Die Zukunft des Deutschen Schutzverbandes gegen Wirtschaftskriminalität wird davon abhängen, ob es ihm gelingt, das Engagement der Wirtschaft bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität zu stärken und damit auch selbst eine größere Schlagkraft zu erhalten.
Viele Organisationen und Unternehmen in der Wirtschaft verhalten sich widersprüchlich. Sie beklagen Mißstände in der Wirtschaft, die sie für außerordentlich gravierend halten und bei denen sie ebenfalls Milliardenschäden angeben, sind aber nicht bereit, die notwendigen Mittel für die Verfolgung dieser Mißstände aufzubringen, obwohl der Gesetzgeber die Voraussetzungen für ein wirkungsvolles Vorgehen geschaffen hat. Zu denken ist hierbei zum Beispiel an die Markenpiraterie, die tatsächlich zu erheblichen Schäden führt. Nur, wenn man allein im Bundesgebiet von Schäden in Höhe von mehreren Milliarden spricht, dann müßte man doch gewillt sein, zumindest einige hunderttausend DM aufzubringen, um wenigstens in Ansätzen eine wirkungsvolle Verfolgung zu ermöglichen.
Dies gilt natürlich auch für andere, weniger gravierende Massendeliktsbereiche, wie den Adreßbuchschwindel, die vielen Formen der unzulässigen Werbung für Nebenverdienste, die Unzahl von Wettbewerbsverstößen bei Kaffeefahrten, aber natürlich auch Bereiche wie Subventionsbetrug und betrügerische Absatzmethoden.
Nach wie vor gilt das was bei der Gründung des Verbandes erklärt wurde, nämlich daß Gesetz und Selbsthilfe zusammen nur die Beseitigung der Mißstände schaffen können. Die Gesetze sind weitgehend vorhanden; die Selbsthilfe bedarf der Stärkung. Es ist zwar richtig, daß früher die beiden Ursprungsverbände, nämlich der Verein gegen das Bestechungsunwesen und die Deutsche Zentralstelle zur Bekämpfung der Schwindelfirmen auch mit öffentlichen Mitteln wesentlich gefördert wurden; es erscheint auch unverständlich, weshalb hierfür heute keine öffentlichen Mittel mehr zur Verfügung stehen. Aber trotzdem kann von der Wirtschaft und ihren Organisationen erwartet werden, daß sie für die Selbsthilfeeinrichtungen, die sie zu ihrem eigenen Schutz aufgebaut haben, auch die notwendigen Mittel aufbringen. Es ist nach wie vor bedauerlich, daß in so vielen Kreisen der Wirtschaft verkannt wird, daß das Recht gegen den unlauteren Wettbewerb ebenso wie auch die Verfolgung strafbarer Delikte, die sich unter dem Mantel wirtschaftlichen Handelns abspielen, weitestgehend der Verfolgung durch die Mitbewerber und die Wirtschaftsorganisationen überlassen sind. Der Gesetzgeber hat bewußt hier auf das Engagement der Wirtschaft gesetzt. Dies ist auch eine wesentlich angemessenere Regelung der Rechtsverfolgung, als wenn immer wieder staatliche Behörden eingreifen müßten.
Bei den Delikten, die der Schutzverband verfolgt, handelt es sich meist um Täter, die als Intelligenzstraftäter zu kennzeichnen sind. Es handelt sich zwar oft um plumpe Bauernfängerei, das äußere Erscheinungsbild ist jedoch so gestaltet, daß dies eben den meisten nicht auffällt. Deshalb ist auch die Mitwirkung der Wirtschaft selbst erforderlich, um Sachverhalte dieser Art zu durchleuchten.
Die Täter lassen sich offensichtlich durch den Spruch von Lichtenberg leiten: "Um sicher Recht zu tun, braucht man nur wenig vom Recht zu wissen, allein um sicher Unrecht zu tun, muß man die Rechte studiert haben." Dies wird immer wieder deutlich, wenn man feststellt, welch hervorragenden Rechtsrat sich diejenigen einholen, die von Anfang an auf unlautere und betrügerische Absatzmethoden und Werbemethoden setzen. Sie versuchen ihren Rechtsberatern zu verdeutlichen, daß sie ein völlig übliches Gewerbe betreiben wollen und deshalb auch eine vergleichbare Tätigkeit aufbauen wollen, wie sie von bekannten, seriösen Unternehmen betrieben wird. Diese Handlung dient zugleich der Vorbeugung einer evtl. Strafverfolgung, indem sie sich dann damit verteidigen, daß sie sich ja gerade Rechtsrat eingeholt haben, um nicht gegen geltendes Recht zu verstoßen.
a) Datenschutz
Es kann heute nicht mehr verkannt werden, daß die Vorschriften des Datenschutzes die Verfolgung von Wirtschaftsdelikten durchaus erschweren. Der Verein zur Förderung der Verbrechensaufklärung und Verhütung in Berlin hat in seiner Zeitschrift 11) diese Problematik wie folgt beschrieben: "Die kriminalpolitische Diskussion ist angesichts der Kriminalitätslage zu einseitig. Fixiert auf das Bild vom chancenlosen, milieugeschädigten, durch die gesellschaftliche Schuld "kriminalisierten" Kleinkriminellen sorgt man sich um eine ausufernde staatliche Macht und Datenfülle.
Neben jenem Täterbild muß endlich der kühlkalkulierende Berufsverbrecher, der in wachsendem Maß eine Bedrohung für die freie persönliche Entfaltung seiner Mitmenschen darstellt, ins öffentliche Bewußtsein gerückt werden.
Dieser Tätertyp, der sich für das Verbrechen entscheidet, weil es die für ihn profitabelste Fortsetzung des Geschäfts mit anderen Mitteln ist, muß in der Kriminalpolitik ein entscheidender Faktor sein. Dies gilt zunächst für die Sammlung von Daten zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung. Es ist geradezu ein Kennzeichen erfolgreicher Berufsverbrecher, daß sie häufig in strafrechtliche Ermittlungsverfahren verwickelt sind, die jedoch wegen Beweisschwierigkeiten eingestellt werden müssen. Die notwendige Konsequenz, alle zugänglichen Daten über lange Zeiträume zu speichern und zu verknüpfen, wird jedoch nicht gezogen. Unberücksichtigt bleibt, daß diese Beschuldigten überwiegend nicht von Amts wegen in Strafverfahren verwickelt werden, sondern weil andere Bürger behaupten, von ihnen in ihren Rechten verletzt worden zu sein.
Der Schutz der übrigen Bürger gebietet es, die Daten von wiederholt in Erscheinung tretenden Verdächtigen aufzubewahren und auszuwerten. Der Bürger wird durch Kontrollen vorbeugend davor geschützt, nicht voll eingeschenkte Biere trinken oder in altem Fett gebratene Currywürste essen zu müssen; ein Schutz vor Raub, Betrug und Erpressung sollte uns ebenso wichtig sein."
Sicherlich kann man diesen Ausführungen entgegenhalten, daß sie zu verkürzt die Probleme des Datenschutzes behandeln. Es ist jedoch nicht einzusehen, daß die Verfolgung unter Berufung auf den Datenschutz erschwert wird, obwohl die Täter selbst in aller Öffentlichkeit auf Dummenfang ausgehen, der nur deshalb nicht auffällt, weil die Kommunikationsmittel zur Aufdeckung dieser Taten eingeschränkt sind.
b) Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden
Es wurde schon angedeutet, daß die Strafverfolgung häufig nicht zum Erfolg führt, weil dem Täter keine strafrechtliche Schuld nachgewiesen werden kann. Aus diesem Grunde hat der Deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität angeregt, daß die Strafverfolgungsbehörden bei allen Sachverhalten, die dem Bereich des unlauteren Wettbewerbs zuzuordnen sind und objektiv die Straftatbestände des UWG erfüllen, in Zusammenarbeit mit dem Schutzverband zivilrechtliche Maßnahmen gegen solche Straftäter einleiten lassen. Das Ermittlungsergebnis, das den Polizeibehörden und den Staatsanwaltschaften vorliegt, reicht in aller Regel für die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruches aus, so daß den betreffenden Tätern dann sehr schnell durch einstweilige Verfügung der Zivilgerichte das Handwerk gelegt werden kann. Zumindest wird dadurch weiterer Schaden verhindert, während die bereits Geschädigten häufig leer ausgehen, andererseits aber unter Berufung auf die strafbare Wettbewerbswidrigkeit auch bei ihren eigenen Auseinandersetzungen mit den Straftätern eine wesentlich leichtere Beweisführung für die Begründetheit ihrer Ansprüche hätten.
Diese Vorstellungen des Schutzverbandes fanden auch insoweit Anerkennung, als das Bayerische Staatsministerium der Justiz und der Hessische Minister der Justiz bereits 1982 eine solche Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden und dem Deutschen Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität angeregt haben. Leider wird von den damit eröffneten Möglichkeiten viel zu selten Gebrauch gemacht. Auch hier gilt der Grundsatz, die besten Gesetze nützen nichts, wenn sie nicht angewandt werden.
c) Progressive Kundenwerbung
Im Februar 1986 hat der Bundestag das zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität verabschiedet und dabei auch das UWG u.a. um die strafrechtliche Bestimmung des § 6c erweitert, der die sog. progressive Kundenwerbung (Schneeballsystem) unter Strafe stellt. Es erscheint heute nicht mehr sinnvoll, nachzuweisen, daß bei konsequenter Anwendung des geltenden Rechts, insbesondere auch der Vorschriften des Strafgesetzbuches und des § 4 UWG eine neue Strafvorschrift nicht erforderlich gewesen wäre. Es kommt vielmehr jetzt darauf an, daß diese Vorschrift konsequent angewandt wird. Dabei muß man von vorneherein davon ausgehen, daß in vielen Fällen wiederum den Tätern die strafrechtliche Schuld nicht nachgewiesen werden kann. Sicher ist jedoch, daß der objektive Sachverhalt von den Strafverfolgungsbehörden zutreffend ermittelt werden kann und daß dann dieses Ermittlungsergebnis eben zur Grundlage einer zivilrechtlichen Verfolgung, und zwar eben nach Möglichkeit im einstweiligen Verfügungsverfahren, - 596 -
genutzt wird. Zutreffend hat der Gesetzgeber erkannt, daß es sich hier um Straftaten handelt, die als Massendelikt insgesamt zu erheblichen Schäden führen. Sehr schnell können Millionenumsätze erreicht werden, ohne daß dies für den einzelnen Geschädigten deutlich wird 12) . Die Vorschrift würde deshalb ihre Wirkung verfehlen, wenn durch ein langwieriges Strafverfahren dem Täter Gelegenheit gegeben wird, weiterhin seine Werbung fortzusetzen.
Die neue Vorschrift hat unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung ihre Bewährungsprobe nur dann bestanden, wenn sie wirklich dazu dient, diesen Kriminellen das Handwerk zu legen. Dies kann aber eben nur gelingen, wenn die Strafverfolgungsmöglichkeiten mit den zivilrechtlichen Verfolgungsmöglichkeiten verbunden werden. Der Deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität wird deshalb alles daran setzen müssen, der neuen Vorschrift in der Praxis volle Geltung zu verschaffen.
Zusammenfassung
Der Rückblick auf die 75 Jahre der Verbandstätigkeit hat gezeigt, welch breites Aufgabenfeld in den zurückliegenden Jahrzehnten für die Verbandstätigkeit prägend war. Diese Tätigkeit wird getragen von dem Bewußtsein, daß ein strenges und straff durchgeführtes Wettbewerbsrecht für das Funktionieren der marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung unentbehrlich ist. Kriminalität unter dem Mantel wirtschaftlichen Handelns muß mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden. Die gesamte Wirtschaft und ihre Organisationen sind hierzu aufgerufen. Zugleich zeigt der Hinweis auf aktuelle Erfordernisse wie die Bekämpfung der Markenpiraterie oder eben auch die Bekämpfung strafbarer irreführender Werbung, progressiver Kundenwerbung und anderer Straftaten, daß auch für die kommenden Jahrzehnte dem Deutschen Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität immer wieder neue Aufgaben gestellt werden. *) Vortrag gehalten auf der gemeinsamen öffentlichen Mitgliederversammlung der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. und des Deutschen Schutzverbandes gegen Wirtschaftskriminalität e.V. am 22. Mai 1986 in Bad Homburg.
Fußnoten:
1) Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstages, IX. Legislaturperiode, Berlin 1896, 1. Anlage-Band Nr. 35, Seite 104.
2) Die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen von Meesmann entsprechen dem Bericht über die Gründungsversammlung am 6. Mai 1911.
3) Wiedergegeben im Beitrag des Ehrenvorsitzenden des DSW, Professor Dr. Walter Krähe, in seiner Abhandlung "Aktive und passive Bestechung in betriebswirtschaftlicher Sicht" Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung 1968, Seite 203 f.
4) Sämtliche Angaben sind den Niederschriften über die Mitgliederversammlungen in diesen Jahren entnommen.
5) Der Vortrag liegt als Sonderdruck des Vereins vor.
6) Wiedergabe entsprechend den Archivunterlagen des Vereins.
7) Die Darstellung. der Entwicklung der Zentralstelle entspricht dem geschichtlichen Überblick über die 50jährige Tätigkeit der Zentralstelle im Jahre 1961, Warnungsdienst Jan. 1961.
8) "Wirtschaftskriminalität unter besonderer Berücksichtigung der Korruption", Sonderdruck des Vereins gegen das Bestechnungsunwesen 1965.
9) Vgl. hierzu "Wettbewerbsrecht und Wirtschaftskriminalität", WRP 73/621 ff.
10) Windolph "Wirtschaftskriminalität und Aspekte zu ihrer präventiven Bekämpfung", Sonderdruck aus "Kriminalität -- vorbeugen und behandeln", herausgegeben von Nass, Carl Heymanns Verlag, Seite 13.
11) "Schutz vor Kriminalität" 1986/3 f.
12) Vgl. hierzu z.B. BGH-Urteil vom 25. 10. 1951 -- 3 StR 549/51 -- GRUR 1952/235 ff. (hier insbesondere Seite 238, rechte Spalte 239). Beiträge, Dr. jur. Marcel Kisseler, Vom Verein gegen das Bestechungsunwesen zum Deutschen Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität Heft 1986 / 11 Seiten 589-596 589